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Bar Mizwa / Bat Mizwa

Die religiöse Volljährigkeit oder Mündigkeit von Mädchen und Jungen wird mit dem Ritual Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa gefeiert. Mädchen werden nach dem 12. Geburtstag und Jungen nach dem 13. Geburtstag zur „Tochter des Gebots“ (Bat Mizwa) oder zum „Sohn des Gebots“ (Bar Mizwa) und übernehmen ab diesem Zeitpunkt alle religiösen Rechte und Pflichten. Nun gehören sie zur jüdischen Gemeinschaft und zählen zur Gemeinschaft der Zehn (Minjan), die nötig ist, um einen Gemeindegottesdienst in der [Synagoge][1] zu feiern. Erste schriftliche Hinweise auf dieses Ritual gibt es aus dem Mittelalter, aber laut einer alten Überlieferung wurde das Fest schon im 1. Jahrhundert u.Z. in Jerusalem begangen. Zur Vorbereitung der religiösen Zeremonie erhalten die Jugendlichen einen speziellen etwa einjährigen Unterricht, der sie darauf vorbereitet, einen [Tora][2]-Abschnitt zu lesen und andere religiöse Pflichten zu erfüllen. Manche jüdischen Jugendlichen müssen dafür erst Hebräisch lernen. 

In der Synagoge wird die Zeremonie am [Schabbat][3] nach dem jeweiligen Geburtstag vorgenommen. Dann wird der / die Jugendliche zum ersten Mal nach vorn gerufen, spricht die Segenssprüche über die Tora, liest einen Abschnitt aus der Tora oder den entsprechenden Prophetenabschnitt vor und hält eine kurze Rede. Ein Fest mit der Gemeinde und der Familie schließt sich an. 

Im orthodoxen Judentum wird die Bat Mizwa von Mädchen zwar speziell gewürdigt, eine Zeremonie wie die für Jungen gibt es aber nicht. Oft wird die Bat Mizwa nur zu Hause begangen. In liberalen jüdischen Gemeinden aber wird auch ein Mädchen zur Toralesung aufgerufen. Dort gibt es sogar [Rabbinerinnen][4], die Gemeinden leiten.


[1]: "Synagoge"

[2]: "Tora"

[3]: "Schabbat"

[4]: "Rabbiner / Rabbinerin"

Beerdigung und Trauerriten

Liegt ein Mensch im Sterben, spricht man im Judentum für oder mit dem/der Sterbenden das Sündenbekenntnis „Widuj“ und das „Schma Jisrael“ aus 5. Buch Mose 6,4ff, das ähnlich dem christlichen Glaubensbekenntnis die Grundlagen des Glaubens zusammenfasst: „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige (ist) einzig.“ Wenn die Person verstorben ist, bedeckt man die Augen des/der Toten mit einem weißen Tuch und zündet eine Kerze an. Danach werden Männer oder Frauen aus der Gemeinde gerufen, die den Toten oder die Tote rituell reinigen und in weiße Kleider hüllen. Der/die Tote wird in einen schlichten Sarg gelegt, vielleicht wird ein Säckchen Erde aus Israel hinzugefügt. Das soll die Sehnsucht nach Israel und [Jerusalem][1] verdeutlichen, auch weil dort nach der Überlieferung die Auferweckung der Toten beginnen wird (und der/die Verstorbene somit zu den „Ersten“ gehören wird). Manchmal werden die Augen mit Tonscherben bedeckt. Wenn möglich, findet die Beerdigung innerhalb von 24 Stunden statt. Auf dem [Friedhof][2] beginnt die Trauerfeier mit Gebeten, gesungen wird nicht. Der [Rabbiner][3] oder die Rabbinerin und manchmal auch andere Personen halten Trauerreden. Als Ausdruck der Trauer reißen die Angehörigen ein Stück ihrer Kleidung ein. Danach führt ein Trauerzug zum frisch ausgehobenen Grab. Der Sarg wird hineingelassen und alle Anwesenden geben drei Schaufeln Erde hinzu, während sie den Satz „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“ sprechen. Psalm 16 und das Heiligungsgebet Kaddisch schließen die Trauerfeier ab. Feuerbestattungen sind unüblich, auch Aufbahrung oder Einbalsamierung werden nicht durchgeführt. Nach der Beerdigung beginnt die Totenwache, die „Schiwa“ genannt wird und sieben Tage andauert. Die Trauernden sind in dieser Zeit aller Verpflichtungen entbunden: sie müssen nicht arbeiten, keine Körperpflege betreiben, nicht zur [Synagoge][4] gehen. Besucher kommen in das Trauerhaus und begleiten die Familie für eine Weile, sie kondolieren und bringen fertig zubereitete Mahlzeiten. Alle Spiegel sind verhängt, damit sich die Trauernden nicht um ihr Aussehen sorgen, sondern nur um das Gedenken an den Verstorbenen. Nur der [Schabbat][5] unterbricht die Trauerwoche. 

Je nach Verwandtschaftsgrad wird die Trauerzeit nach einer Woche, einem Monat oder einem Jahr mit einer Gedächtnisfeier beendet. Die Trauerzeit endet spätestens nach einem Jahr, der sogenannten „Jahrzeit“. Jeweils am Todestag soll das „Kaddisch“ erneut gesagt und das Grab besucht werden. Einzelne Trauerbräuche richten sich nach den Traditionen in den Familien, sie können regional unterschiedlich sein und sich aufgrund der Frömmigkeit der Trauernden unterscheiden.


[1]: "Jerusalem"

[2]: "Friedhof"

[3]: "Rabbiner / Rabbinerin"

[4]: "Synagoge"

[5]: "Schabbat"

Beschneidung

Nach jüdischem Recht wird man als Jude geboren, wenn man eine jüdische Mutter hat. Konversionen zum Judentum sind eher selten. Juden beschneiden ihre Söhne am 8. Tag nach der Geburt und folgen damit dem biblischen Aufruf in Gen 17,10, den Bund mit Gott durch diesen Akt zu besiegeln. Die Beschneidung (hebräisch „Brit Mila“) symbolisiert den Bund zwischen Gott und Abraham bzw. Gott und Gottes Volk. Sie markiert den Eintritt in die jüdische Gemeinschaft und ist identitätsbestimmend. Sogar in der Zeit des Nationalsozialismus, als die Beschneidung als Zeichen der Religionszugehörigkeit vielleicht auch das Todesurteil bedeuten konnte, wurden jüdische Jungen weiterhin beschnitten, um das Gebot Gottes einzuhalten. Heute wird die Beschneidung von einem ausgebildeten Spezialisten, dem „Mohel“, durchgeführt. Sterile Bedingungen sind Voraussetzung. Die Beschneidung wird in allen Schichten des Judentums durchgeführt und meist auch in jüdischen Familien vorgenommen, die eigentlich säkular leben, also keine anderen jüdischen Bräuche einhalten. Zeitgleich mit der Beschneidung erfolgt die Namensgebung der männlichen Neugeborenen. Im modernen Judentum gibt es eine Diskussion darüber, wie Mädchen auf eine ähnlich bedeutungsschwere Weise in das Judentum eingeführt werden können, bezieht sich der Bund Gottes doch auf Männer und Frauen. Traditionell wird ein Mädchen am ersten [Schabbat][1]gottesdienst nach ihrer Geburt mit ihrem Namen versehen, manchmal auch am ersten Schabbatgottesdienst, bei dem die Mutter nach der Geburt wieder anwesend sein kann. Viele Gemeinden begehen diesen Gottesdienst in der [Synagoge][2] besonders festlich, um es den Familien mit neugeborenen Mädchen zu ermöglichen, die Geburt einer Tochter besonders zu feiern. Reform-[Rabbinerinnen][3] fordern aber immer wieder, dass jüdische Rituale auch deutlicheren Eingang in den Lebenszyklus von Mädchen und Frauen finden und schlagen zum Beispiel vor, dass neugeborene Mädchen das Ritual der Fußwaschung (hebräisch „Brit Rechiza“) nach Gen 18 durchlaufen. Seit etwa einem Vierteljahrhundert führten erste amerikanische Reformgemeinden dieses festliche und in der [Tora][4] verankerte Ritual ein. Inzwischen hat es sich auch in israelischen und osteuropäischen Reformgemeinden verbreitet.


[1]: "Schabbat"

[2]: "Synagoge"

[3]: "Rabbiner / Rabbinerin"

[4]: "Tora"

Halacha und Agada

In der jüdischen Tradition wird oft zwischen Halacha, der normativen Tradition bzw. den Rechtsvorschriften des Judentums, und der Agada, der nichtgesetzlichen erzählten Tradition, unterschieden. Halacha kommt von dem hebräischen Wortstamm „gehen“; Halachot (Plural) regeln also, wie man als Jüdin oder Jude gehen und leben, sich verhalten soll. Grundsätzlich lässt sich sagen: Alles, was nicht Halacha, Gebotsverständnis und -auslegung ist, ist Agada. Die Halacha ist in ständigem Fluss, weil sie sich an verändernde Umstände und geografische Gegebenheiten anpassen muss. Trotzdem versucht man schon immer, für alle Juden in allen Regionen verbindliche und einheitliche Rechtsgrundlagen zu schaffen. Frühe halachische Werke sind die [Mischna][1], der babylonische [Talmud][2] oder auch die großen Kommentarwerke wie die des Philosophen Maimonides aus dem 12. Jahrhundert. Die Agada beinhaltet rabbinische Texte, Parabeln, Legenden, Diskussionen über Lehrmeinungen, Kabbala, Fabeln, Gedichte, Gebete und volkstümliche Texte, die biblische Texte aufnehmen, umdeuten oder erweitern. Agadische Texte lassen deutlich die Lebenswelt erkennen, in der sie entstanden sind, und sie entstehen auch heute neu, wenn zum Beispiel Feministinnen Texte der Hebräischen Bibel auslegend weiterschreiben. Die Halacha entwickelt sich freilich ebenso weiter, ist jedoch in viel stärkerem Maße an die vorangegangenen [Tora][3] -Auslegungen gebunden.


[1]: "Mischna"

[2]: "Talmud"

[3]: "Tora"

Hochzeit

Bei der Eheschließung unterzeichnet im [orthodoxen][1] Judentum allein der Bräutigam und im nicht-orthodoxen Judentum sowohl Braut als auch Bräutigam einen Ehevertrag, die Ketuba, im Beisein zweier Zeugen. Danach wird das Paar unter einem Baldachin, der „[Chuppa][2]“, getraut. Zur Trauung gehören Segenssprüche, das Überstreifen eines Rings an die Hand der Braut (im orthodoxen Judentum) oder das Austauschen von Ringen (im nicht-orthodoxen Judentum) sowie das Verlesen des Ehevertrags. Nach weiteren sieben Segenssprüchen unter dem Baldachin zertritt der Bräutigam ein Glas, was an die Zerstörung des [Tempels ][3]in [Jerusalem][4] erinnern soll. Ein ausgelassenes Fest der beiden sich vereinigenden Familien folgt. Im Judentum ist die Scheidung möglich. Sie wird rituell als Scheidungszeremonie durchgeführt und unterscheidet sich von der zivilen Scheidung.


[1]: "Orthodoxes Judentum"

[2]: "Chuppa / Baldachin"

[3]: "Tempel"

[4]: "Jerusalem"

Koscher

Koscher bedeutet „rein“ oder auch „erlaubt“ und beschreibt die Voraussetzungen für den Verzehr von Speisen im Judentum. Diese Voraussetzungen, in ihrer Gesamtheit _Kaschrut_ genannt, sind vielfältig und werden bis heute diskutiert und ausgelegt. Wie streng man sie einhält und auslegt, liegt an der Frömmigkeitsrichtung der Familie und hängt von individuellen Details ab. 


Grundsätzlich kann gesagt werden, dass der Genuss von Blut verboten ist, weil man nach jüdischer Auffassung der Meinung ist, dass die Seele des Tieres im Blut lokalisiert ist. Deshalb werden Tiere nach der jüdischen Schlachtmethode, dem sogenannten Schächten, geschlachtet. Außerdem sind nur Säugetiere zum Verzehr geeignet, die Wiederkäuer sind und gespaltene Hufe haben, also Rind, Lamm und Ziege, nicht aber das Schwein. Geflügel ist koscher, nicht aber Raubvögel. Fische sind koscher, wenn sie Schuppen und Flossen haben, nicht aber Raubfische, Schalentiere und Meeresfrüchte. 


Außerdem verzichtet man im Judentum auf den gemeinsamen Genuss von Milch- und Fleischprodukten und wartet einige Stunden, um die jeweils andere Speise zu essen, sodass sich Fleisch und Milch nicht im Magen treffen. Diese Regel wirkt sich bis in den jüdischen Haushalt aus, denn dort gibt es meist getrenntes Geschirr, Töpfe und Besteck für Milchiges und Fleischiges, manchmal sogar getrennte Kühlschränke. 


Neben den Kategorien milchig und fleischig gibt es eine dritte Kategorie von Speisen, die als neutral gelten (_parwe_). Dazu gehören Eier, Gemüse und Früchte. Diese können sowohl mit milchigen als auch mit fleischigen Speisen verzehrt werden.

Mischna

Die Mischna ist das erste Werk, das mündliche Überlieferung des Judentums, die sogenannte mündliche [Tora][1], niederschreibt. Sie wird auch als Gesetzeskodex verstanden und ist eine Sammlung religionsgesetzlicher Überlieferungen. Aufgeschrieben wurde sie wahrscheinlich im 3. Jahrhundert u.Z., hatte aber verschiedene Vorstufen und ist über einen längeren Zeitraum zusammengetragen worden. Als „Redakteur“ dieser Überlieferungen gilt Rabbi Jehuda HaNassi („der Fürst“).  Die Mischna ist in sechs „Ordnungen“ unterteilt, die wiederum verschiedene Traktate (insgesamt gibt es 63 Traktate) enthalten. So geht es zum Beispiel in der 5. Ordnung mit dem Titel „Heiligtümer“ um Opferriten und Speisevorschriften, insgesamt sind dort elf Traktate enthalten. Nicht in die Mischna aufgenommener Traditionsstoff wurde in der Tossefta („Ergänzung“ oder „Hinzufügung“) schriftlich festgehalten. Eine der beiden (nahezu) vollständig erhaltenen Handschriften der Tossefta stammt aus der 1349 im Pogrom vernichteten jüdischen Gemeinde Erfurt. Sie wird heute in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt.


[1]: "Tora"

Septuaginta

Große jüdische Bevölkerungsgruppen lebten schon seit dem babylonischen [Exil][1] (586 v.u.Z.) in der [Diaspora][2], d.h. außerhalb des Landes Israel und passten sich dortigen Gegebenheiten an: Ein Kernsatz im Judentum lautet: „Dina malkuta dina“; das Gesetz eines Landes ist Gesetz. So war auch ihre Alltagssprache meist nicht Hebräisch, schon gar nicht das biblische Hebräisch. Im hellenistischen Kulturbereich bemühten sich die Juden deshalb um eine griechische Übersetzung der Bibel. Es entstand die sogenannte Septuaginta. Der Name basiert auf der Legende, dass 70 Männer damit beauftragt wurden, die Hebräische Bibel ins Griechische zu übersetzen. Sie taten das individuell und in Abgeschiedenheit. Als sie wieder zusammenkamen, stellte man fest, dass die 70 Übersetzungen genau deckungsgleich waren. Bedenkt man, dass jede Übersetzung Interpretation ist und jeder Übersetzer eigene Ideen und eigene Wortwahl einbringt, ist das als großes Wunder zu verstehen. Das Wunder war ein göttliches, will die Legende  vermitteln, denn Gott wollte, dass auch die griechische Übersetzung Gottes Wort ist. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nutzen die Septuaginta heute, um das Textwachstum der Bibel nachzuvollziehen. Tatsächlich ist es nämlich so, dass Hebräische Bibel und griechische Übersetzung nicht in allen Punkten übereinstimmen. Manche biblischen Texte kamen dazu, andere wurden verlängert oder verkürzt. Oft werden andere Wörter benutzt, die zeigen, wie eine bestimmte Geschichte zur Zeit der griechischen Übersetzung verstanden wurde. Die Septuaginta ist also ein Fenster in das frühe hellenistische Judentum, in zeitgenössische Vorstellungen von Gott und in die Texte, die man als autoritativ ansah.


[1]: "Exil"

[2]: "Diaspora"

TANACH

Der Begriff ist ein Akronym und steht für die drei Schriftengruppen innerhalb der Hebräischen Bibel: [Tora][1] (Gesetz / Weisung), „Newiim“ (Propheten) und „Ketuwim“ (Schriften). Die Tora ist dabei von größter Bedeutung, enthält sie doch die 613 Ge- und Verbote, die grundlegend für das Selbstverständnis des Judentums sind.


[1]: "Tora"

Talmud

Der Talmud ist eine traditionelle Schrift des Judentums und setzt sich aus der [Mischna][1] und deren Kommentar, der „Gemara“, zusammen. Der Name Talmud kommt vom hebräischen Verb für „lernen“ oder „lehren“. Es gibt zwei verschiedene Versionen des Talmud,  den Palästinensischen (oder Jerusalemer) und den Babylonischen Talmud, wobei der Babylonische Talmud etwas später, wohl im 8. Jahrhundert, kodifiziert worden ist.


[1]: "Mischna"

Targum

Jüdische Bevölkerungsgruppen mussten schon immer in der [Diaspora][1] , d.h. außerhalb von Israel, leben und sich dortigen Gegebenheiten anpassen. Auch ihre Umgangssprache war nicht immer Hebräisch, schon gar nicht das biblische Hebräisch, in dem die größten Teile der Hebräischen Bibel geschrieben waren. Im hellenistischen Einflussbereich, z.B. in Ägypten, bemühten sich die Juden deshalb um eine griechische Übersetzung der Bibel, in Palästina um eine Übersetzung in das Aramäische. Diese aramäische Übersetzung nennt man Targum, was genau dies bedeutet: „Übersetzung“.


[1]: "Diaspora"

Tora

Tora ist ein hebräisches Wort und bedeutet „Lehre“ oder „Weisung“. Der Begriff bezeichnet den ersten und wichtigsten Teil des Alten Testaments bzw. der Hebräischen Bibel, nämlich die Bücher Genesis (1. Buch Mose), Exodus (2. Buch Mose), Levitikus (3. Buch Mose), Numeri (4. Buch Mose) und Deuteronomium (5. Buch Mose). In der Hebräischen Bibel werden diese Bücher allerdings mit dem ersten Wort des jeweiligen Textes bezeichnet, heißen also „Bereschit“ („Am Anfang“), „Schemot“ („Namen“), „Va-Jikra“ („Gott rief“), „Be-Midbar“ („In der Wüste“) und „Dewarim“ („Worte“). Neben der Tora enthält das Alte Testament/die Hebräische Bibel nach jüdischem Verständnis auch noch die „Newi‘im“ („Propheten“), die beim Buch Josua beginnen und mit Maleachi enden, und die „Ketuwim“ („Schriften“), die poetische Literatur wie die Psalmen, beinhaltet, aber auch weisheitliche Literatur wie das Buch Hiob, historisches Material wie die Chronikbücher und apokalyptische Texte wie das Danielbuch. Im jüdischen Gebrauch heißt die Bibel dann auch [TANAKH][1], ein Akronym, das sich aus den Anfangsbuchstaben von Tora, „Nevi’im“ und „Ketuvim“ zusammensetzt. Wann und wie sich die einzelnen Bücher zu einem festgelegten Kanon fanden, ist in der Forschung nicht ganz geklärt. Man geht allerdings davon aus, dass erst im zweiten nachchristlichen Jahrhundert endgültig feststand, was in der Tora, den „Newi’im“ und den „Ketuwim“ aufgenommen werden sollte. Die Tora erzählt von der Schöpfung der Welt und der Menschen, von der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies, von der Sintflut, vom Turmbau zu Babel, von den Vorfahren des jüdischen Volkes (Abraham, Isaak, Jakob und ihren Frauen) und ihren Nachkommen, vom Schicksal des Volkes in Ägypten, von der Wüstenwanderung und den Gesetzen Gottes, die am Sinai dem Mose übergeben werden. Diese Gesetze und auch die Idee vom Bund zwischen Gott und dem Volk Israel begründen das Selbstverständnis des Judentums und bilden die Grundbausteine der jüdischen Religion. Neben dieser sogenannten „schriftlichen Tora“ stehen alle anderen biblischen Bücher sowie die frühe rabbinische Literatur, zu der u.a. der [Talmud][2] und die [Mischna][3] gehören und die als „mündliche Tora“ bezeichnet werden. Die mündliche Tora ist der Schlüssel zum Verständnis der schriftlichen und daher in gewisser Weise dieser sogar übergeordnet. Die „mündliche Tora“ erlaubt es dem frühen Judentum, immer wieder aktuell Lehren in der Tradition zu verankern, um geschichtlichen Erfordernissen zu entsprechen. Die Idee dahinter ist, dass die „schriftliche Tora“ von Gott gegeben und Mose auf dem Berg Sinai anvertraut wurde, und diese dann von Generation zu Generation (schriftlich und mündlich) weitergegeben wird. Dabei kommt es zu „Neuerungen“ (chiduschim), die jedoch das „Alte“ und Überlieferte identisch in neuer Zeit zum Ausdruck bringen. Für den gottesdienstlichen Gebrauch wird die Tora von einem Schreiber ([Sofer][4]) handschriftlich und mit besonderen Gebeten und Vorbereitungen auf eine große Pergamentrolle geschrieben, die aus etwa 40 Bögen besteht und auf Holzstangen aufgerollt ist. In der [Synagoge][5] wird diese Torarolle im [Toraschrein][6] aufbewahrt und zum Lesen zur [Bima][7] gebracht. Der Schrein ist Richtung [Jerusalem][8] orientiert, im mitteleuropäischen Raum also an der Ostwand.


[1]: "TANACH"

[2]: "Talmud"

[3]: "Mischna"

[4]: "Schofar"

[5]: "Synagoge"

[6]: "Toraschrein"

[7]: "Bima"

[8]: "Jerusalem"

Tora-Rolle

Jede Synagogengemeinde besitzt eine oder mehrere Tora-Rollen, die in der Synagoge im Toraschrein aufbewahrt und zum Lesen zur _Bima_ gebracht werden. Auf der Tora-Rolle ist die heilige Schrift, die für jüdische und christliche Gläubige gleichermaßen gilt, aufgeschrieben.  


„Tora“ ist ein hebräisches Wort und bedeutet „Lehre“ oder „Gesetz“. Es bezieht sich auf den ersten und wichtigsten Teil des Alten Testaments bzw. der Hebräischen Bibel, nämlich die Bücher Genesis (1. Buch Mose), Exodus (2. Buch Mose), Levitikus (3. Buch Mose), Numeri (4. Buch Mose) und Deuteronomium (5. Buch Mose). In der jüdischen Tradition werden diese Bücher allerdings meist mit dem ersten Wort des jeweiligen Buches bezeichnet, heißen also _Bereschit_ („Am Anfang“), _Schemot_ („Namen“), _Va-Jikra_ („Gott rief“), _Be-Midbar_ („In der Wüste“) und _Devarim_ („Worte“).  


Hergestellt wird die Tora-Rolle von einem Schreiber (_Sofer_), und zwar handschriftlich und mit besonderen Gebeten und Vorbereitungen. Der Sofer nutzt dafür besondere Tinte, die keine Metallverbindungen enthält, weil aus Metall Waffen gemacht werden können, dazu besondere Schreibinstrumente aus Gänse- oder Truthahnfedern. Jeder der über 300.000 Buchstaben wird mit besonderer Sorgfalt geschrieben, dabei darf kein Fehler auftreten.


Geschrieben wird auf einzelne Pergamentbögen, die aus koscherem Material hergestellt werden, also aus Rinder- oder Ziegenhaut. Nach der Fertigstellung werden die einzelnen Pergamentbögen zusammen genäht, die Rolle auf Holzstäbe gewickelt, mit einem Mantel aus Stoff versehen und feierlich in die Synagoge gebracht.  


Da man die eigentliche Tora-Rolle sehr pfleglich behandelt, vorsichtig benutzt und nur mit einem Zeigestock (_Jad_) berührt, halten Tora-Rollen sehr lange. Viele überdauern mehrere hundert Jahre.  


Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen erhielt am 30. September 2021 eine neue Tora-Rolle, die vom Berliner Schreiber Reuven Yaakobov in zwei Jahren Arbeit angefertigt worden war. Sie ist ein Geschenk der beiden großen christlichen Kirchen in Thüringen an die jüdische Gemeinde und wird von nun an im Gottesdienst genutzt.