Hinweis: Um die korrekte Darstellung der Seite zu erhalten, müssen Sie beim Drucken die Hintergrundgrafiken erlauben.
Frauen in der Synagogengemeinde

Anzeige im Wochenblatt für den Synagogenbezirk Erfurt Nr. 170 vom 13. Januar 1928 © Stadtarchiv Erfurt

Frauen haben eine wichtige Rolle im Judentum, denn vor allem sie geben die Religion an die Kinder weiter. Nach traditionellem Verständnis gilt: Ist die Mutter jüdisch, sind es auch ihre Kinder. Gemeinsam bilden Männer und Frauen die jüdische Gemeinde, doch der G´ttesdienst wurde Jahrhunderte lang getrennt gefeiert. Die Frauen hielten sich dabei in der Synagoge in einem separaten Raum oder abgetrennten Bereich auf. Mit den liberalen Reformen im 19. Jahrhundert erhielten die Frauen einen eigenen Bereich innerhalb der Synagoge, die Frauenempore. Heute sitzen Frauen und Männer in liberalen Gemeinden gemeinsam in der Synagoge und übernehmen dieselben Aufgaben im G´ttesdienst. 


Dr. Hedwig Pinthus
Auch in Erfurt saßen die Frauen hier auf der Frauenempore. Zu ihnen zählte die 1882 geborene Hedwig Pinthus. Sie war eine selbstbewusste bürgerliche Jüdin. Mit dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründeten Jüdischen Frauenbund in Deutschland schlossen sich Frauen wie sie zusammen, um Bildung, Ausbildung und Berufstätigkeit von jüdischen Mädchen und Frauen zu verbessern und den Kampf um das Frauenwahlrecht in den Synagogen-Gemeinden zu führen. Für die Wahl zur Repräsentantenversammlung erreichten die Frauen in Erfurt 1925 immerhin das aktive, wenn auch noch nicht das passive Wahlrecht. Dieses wichtige Gremium entschied über alle Angelegenheiten der Gemeinde und wählte den Vorstand. Hedwig Pinthus war aktiv im Vorstand des Israelitischen Frauenvereins in Erfurt. Hier wurden Fragen der Frauenbewegung wie 1928 im Vortrag "Neue Frauenaufgaben in der Gemeinde" durch Dr. Dora Edinger vom Jüdischen Frauenbund diskutiert. Hedwig Pinthus leitete auch die  Schwesternvereinigung der Erfurter Loge B'nai-Brith, die sich in der Zeit der Wirtschaftskrise 1932 mit einer reichsweiten Spendenkampagne für Kinder aus verarmten jüdischen Familien in Thüringen engagierte. 


Hedwig Pinthus war mit Siegfried Pinthus verheiratet, der von 1926 bis 1937 der Gemeinde vorstand. Er war Mitinhaber und Geschäftsführer des großen Erfurter Kaufhauses „Römischer Kaiser“, heute die Einkaufsgalerie Anger 1. Nachdem ihre Töchter das Elternhaus verlassen hatten, widmete sich Hedwig Pinthus ihrer eigenen Bildung und holte mit 50 Jahren das Abitur nach. Ihr Studium schloss sie 1937 mit einem Doktortitel in Romanischer Philologie an der Universität Jena ab. Wenige Tage später verboten die Nationalsozialisten die Promotion von Jüdinnen und Juden.


Ihr Mann starb in dieser Zeit, sie floh 1939 zur Familie ihrer Tochter in die Niederlande. Nachdem mit Beginn der deutschen Besatzung auch dort Jüdinnen und Juden verfolgt wurden und sie von der Deportation ihrer jüngsten Schwester in Deutschland erfuhr, nahm sich Hedwig Pinthus das Leben. Sie wurde 59 Jahre alt.