Aramäisch
Neben Griechisch war Aramäisch eine weitere Alltags- und Handelssprache, die im Mittelmeerraum und in Mesopotamien das [Hebräische][1] in den Bereich der [Synagoge][2] und in die Gelehrenwelt verdrängte. In Palästina bemühte man sich in jüdischen Bevölkerungskreisen um eine Gesamtübersetzung der Bibel in das Aramäische. Diese aramäische Übersetzung nennt man "Targum", was so viel bedeutet wie „übersetzen“ oder „erklären“. Die biblischen Schriften selbst enthalten viele Aramaismen, zudem sind Teile der Bücher Esra und Daniel in aramäischer Sprache verfasst.
Aramäisch ist eine nordwest-semitische Sprache, die sich in Syrien vor etwa 3000 Jahren entwickelte. Man unterscheidet verschiedene Sprachstufen. Eine davon ist das Reichsaramäisch, dass sich im neoassyrischen, neobabylonischen und später auch dem persischen Reich als internationale und Umgangssprache durchsetzen konnte. In wenigen kleinen Sprachinseln wird es heute noch gesprochen, so in Malula bei Damaskus, in der Südosttürkei, und im südlichen Irak. Viele der aramäisch sprechenden Bevölkerungsgruppen sind inzwischen in die USA, nach Israel oder Europa ausgewandert.
Baal Kore
Der „Vorleser“ (Baal Kore) teil sich mit dem „Vorsänger“ (Chazan, [Kantor][1] ) und dem [Rabbiner][2] oder der [Rabbinerin][2] die liturgischen Rollen im jüdischen Gottesdienst in der [Synagoge][3]. Seine Aufgabe ist es, den wöchentlichen Abschnitt aus der [Tora][4] vorzulesen. Ein gutes Verständnis der Heiligen Schrift ist dabei Voraussetzung, wird die Tora doch meist ohne Satzzeichen und Vokale geschrieben. Außerdem ist es erforderlich, die Te’amim zu kennen. Das sind Zeichen, die angeben, wie die Tora „gesungen“ werden soll. Das Amt des Baal Kore wird traditionell sehr hoch geschätzt, ist er doch der Übermittler der Tora von Mose am Sinai. In manchen Gemeinden werden die Rollen des Kore und des Chazan von einer einzigen Person eingenommen.
Bammel
Jemand, der „Bammel hat“, fürchtet sich vor etwas, vor einer Prüfung zum Beispiel oder vor einem Bewerbungsgespräch. Der Ausdruck kommt wahrscheinlich aus der hebräischen Sprache, wo Baal Emah „der Furchtsame“ bedeutet. Über das Jiddische oder das Rotwelsche kam dieser Begriff dann wohl in die deutsche Sprache. „Massel haben“ wäre dann das Gegenteil von „Bammel haben“ und bezeichnet das unverhoffte Glück. Eine andere Erklärung verbindet „Bammel“ mit „baumeln“ und dem Hin- und Herschwingen einer Glocke, das dann auf das menschliche Herz übertragen wurde, welches hin- und herschwingt, wenn es nervös ist oder Angst hat. Dieser zweiten Möglichkeit schließt sich übrigens auch der Duden an.
Bar Mizwa / Bat Mizwa
Die religiöse Volljährigkeit oder Mündigkeit von Mädchen und Jungen wird mit dem Ritual Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa gefeiert. Mädchen werden nach dem 12. Geburtstag und Jungen nach dem 13. Geburtstag zur „Tochter des Gebots“ (Bat Mizwa) oder zum „Sohn des Gebots“ (Bar Mizwa) und übernehmen ab diesem Zeitpunkt alle religiösen Rechte und Pflichten. Nun gehören sie zur jüdischen Gemeinschaft und zählen zur Gemeinschaft der Zehn (Minjan), die nötig ist, um einen Gemeindegottesdienst in der [Synagoge][1] zu feiern. Erste schriftliche Hinweise auf dieses Ritual gibt es aus dem Mittelalter, aber laut einer alten Überlieferung wurde das Fest schon im 1. Jahrhundert u.Z. in Jerusalem begangen. Zur Vorbereitung der religiösen Zeremonie erhalten die Jugendlichen einen speziellen etwa einjährigen Unterricht, der sie darauf vorbereitet, einen [Tora][2]-Abschnitt zu lesen und andere religiöse Pflichten zu erfüllen. Manche jüdischen Jugendlichen müssen dafür erst Hebräisch lernen.
In der Synagoge wird die Zeremonie am [Schabbat][3] nach dem jeweiligen Geburtstag vorgenommen. Dann wird der / die Jugendliche zum ersten Mal nach vorn gerufen, spricht die Segenssprüche über die Tora, liest einen Abschnitt aus der Tora oder den entsprechenden Prophetenabschnitt vor und hält eine kurze Rede. Ein Fest mit der Gemeinde und der Familie schließt sich an.
Im orthodoxen Judentum wird die Bat Mizwa von Mädchen zwar speziell gewürdigt, eine Zeremonie wie die für Jungen gibt es aber nicht. Oft wird die Bat Mizwa nur zu Hause begangen. In liberalen jüdischen Gemeinden aber wird auch ein Mädchen zur Toralesung aufgerufen. Dort gibt es sogar [Rabbinerinnen][4], die Gemeinden leiten.
Beerdigung und Trauerriten
Liegt ein Mensch im Sterben, spricht man im Judentum für oder mit dem/der Sterbenden das Sündenbekenntnis „Widuj“ und das „Schma Jisrael“ aus 5. Buch Mose 6,4ff, das ähnlich dem christlichen Glaubensbekenntnis die Grundlagen des Glaubens zusammenfasst: „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige (ist) einzig.“ Wenn die Person verstorben ist, bedeckt man die Augen des/der Toten mit einem weißen Tuch und zündet eine Kerze an. Danach werden Männer oder Frauen aus der Gemeinde gerufen, die den Toten oder die Tote rituell reinigen und in weiße Kleider hüllen. Der/die Tote wird in einen schlichten Sarg gelegt, vielleicht wird ein Säckchen Erde aus Israel hinzugefügt. Das soll die Sehnsucht nach Israel und [Jerusalem][1] verdeutlichen, auch weil dort nach der Überlieferung die Auferweckung der Toten beginnen wird (und der/die Verstorbene somit zu den „Ersten“ gehören wird). Manchmal werden die Augen mit Tonscherben bedeckt. Wenn möglich, findet die Beerdigung innerhalb von 24 Stunden statt. Auf dem [Friedhof][2] beginnt die Trauerfeier mit Gebeten, gesungen wird nicht. Der [Rabbiner][3] oder die Rabbinerin und manchmal auch andere Personen halten Trauerreden. Als Ausdruck der Trauer reißen die Angehörigen ein Stück ihrer Kleidung ein. Danach führt ein Trauerzug zum frisch ausgehobenen Grab. Der Sarg wird hineingelassen und alle Anwesenden geben drei Schaufeln Erde hinzu, während sie den Satz „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“ sprechen. Psalm 16 und das Heiligungsgebet Kaddisch schließen die Trauerfeier ab. Feuerbestattungen sind unüblich, auch Aufbahrung oder Einbalsamierung werden nicht durchgeführt. Nach der Beerdigung beginnt die Totenwache, die „Schiwa“ genannt wird und sieben Tage andauert. Die Trauernden sind in dieser Zeit aller Verpflichtungen entbunden: sie müssen nicht arbeiten, keine Körperpflege betreiben, nicht zur [Synagoge][4] gehen. Besucher kommen in das Trauerhaus und begleiten die Familie für eine Weile, sie kondolieren und bringen fertig zubereitete Mahlzeiten. Alle Spiegel sind verhängt, damit sich die Trauernden nicht um ihr Aussehen sorgen, sondern nur um das Gedenken an den Verstorbenen. Nur der [Schabbat][5] unterbricht die Trauerwoche.
Je nach Verwandtschaftsgrad wird die Trauerzeit nach einer Woche, einem Monat oder einem Jahr mit einer Gedächtnisfeier beendet. Die Trauerzeit endet spätestens nach einem Jahr, der sogenannten „Jahrzeit“. Jeweils am Todestag soll das „Kaddisch“ erneut gesagt und das Grab besucht werden. Einzelne Trauerbräuche richten sich nach den Traditionen in den Familien, sie können regional unterschiedlich sein und sich aufgrund der Frömmigkeit der Trauernden unterscheiden.
Beschneidung
Nach jüdischem Recht wird man als Jude geboren, wenn man eine jüdische Mutter hat. Konversionen zum Judentum sind eher selten. Juden beschneiden ihre Söhne am 8. Tag nach der Geburt und folgen damit dem biblischen Aufruf in Gen 17,10, den Bund mit Gott durch diesen Akt zu besiegeln. Die Beschneidung (hebräisch „Brit Mila“) symbolisiert den Bund zwischen Gott und Abraham bzw. Gott und Gottes Volk. Sie markiert den Eintritt in die jüdische Gemeinschaft und ist identitätsbestimmend. Sogar in der Zeit des Nationalsozialismus, als die Beschneidung als Zeichen der Religionszugehörigkeit vielleicht auch das Todesurteil bedeuten konnte, wurden jüdische Jungen weiterhin beschnitten, um das Gebot Gottes einzuhalten. Heute wird die Beschneidung von einem ausgebildeten Spezialisten, dem „Mohel“, durchgeführt. Sterile Bedingungen sind Voraussetzung. Die Beschneidung wird in allen Schichten des Judentums durchgeführt und meist auch in jüdischen Familien vorgenommen, die eigentlich säkular leben, also keine anderen jüdischen Bräuche einhalten. Zeitgleich mit der Beschneidung erfolgt die Namensgebung der männlichen Neugeborenen. Im modernen Judentum gibt es eine Diskussion darüber, wie Mädchen auf eine ähnlich bedeutungsschwere Weise in das Judentum eingeführt werden können, bezieht sich der Bund Gottes doch auf Männer und Frauen. Traditionell wird ein Mädchen am ersten [Schabbat][1]gottesdienst nach ihrer Geburt mit ihrem Namen versehen, manchmal auch am ersten Schabbatgottesdienst, bei dem die Mutter nach der Geburt wieder anwesend sein kann. Viele Gemeinden begehen diesen Gottesdienst in der [Synagoge][2] besonders festlich, um es den Familien mit neugeborenen Mädchen zu ermöglichen, die Geburt einer Tochter besonders zu feiern. Reform-[Rabbinerinnen][3] fordern aber immer wieder, dass jüdische Rituale auch deutlicheren Eingang in den Lebenszyklus von Mädchen und Frauen finden und schlagen zum Beispiel vor, dass neugeborene Mädchen das Ritual der Fußwaschung (hebräisch „Brit Rechiza“) nach Gen 18 durchlaufen. Seit etwa einem Vierteljahrhundert führten erste amerikanische Reformgemeinden dieses festliche und in der [Tora][4] verankerte Ritual ein. Inzwischen hat es sich auch in israelischen und osteuropäischen Reformgemeinden verbreitet.
Bima
Das Wort Bima bezeichnet das zentrale erhöhte Lesepult oder den Platz in der Synagoge, an dem das Lesepult steht. Die Bima gehört zur Grundausstattung jeder [Synagoge][1]. Von diesem Ort aus wird die [Tora][2] gelesen, nachdem sie aus dem [Toraschrein][3] dorthin getragen wurde.
Chanukka
Das jüdische Lichterfest Chanukka geht vom Wort her auf die Begriffe „Weihung“ oder „Einweihung“ zurück und erinnert Jüdinnen und Juden an die Geschehnisse um das Jahr 164 vor der Zeitenwende. Zur damaligen Zeit war es den Juden verboten, ihre Religion frei auszuüben. Die griechischen Machthaber unter Antiochus IV. hatten ihnen verboten, Gottesdienste zu feiern oder [Tora][1] zu studieren. Auf diese Unterdrückung antwortete die jüdische Makkabäerrevolte, benannt nach ihrem Anführer Judas Makkabäus. Als die Juden siegten und der [Tempel][2] in [Jerusalem][3] wieder Gott geweiht war, wurde ein Leuchter mit geweihtem Öl entzündet. Von solchem Öl gab es jedoch nur noch einen Vorrat für einen Tag. Der Tradition zufolge, brannte der Leuchter aber acht Tage lang, bis neues geweihtes Öl hergestellt werden konnte. Dieses Wunder und die Ereignisse des ersten Chanukka werden von jüdischen Familien jährlich festlich begangen und erinnert. Im Mittelpunkt steht dabei der Chanukka-Leuchter, der jeden Abend, eine Kerze nach der anderen und immer eine mehr, angezündet wird. Daher besitzt der Chanukka-Leuchter acht Arme und einen weiteren mit dem „Diener“ – das ist die Kerze, mit deren Hilfe die eigentlichen Chanukka-Lichter entzündet werden. Außerdem wird gebetet, gesungen, man spielt mit dem [Dreidel][4] und isst besondere, in Öl gebackene Speisen wie Kartoffelpuffer (Lattkes). Die Kinder bekommen kleine Geschenke und Süßigkeiten, und auch das wohltätige Spenden für Andere nimmt einen wichtigen Raum im Familienfest ein.
Chuppa / Baldachin
Chuppa bedeutet „Abdeckung“ oder Schutz“ und bezeichnet einen Baldachin außerhalb der Synagoge, der über einem jüdischen Hochzeitspaar und eventuell noch dem [Rabbiner][1] oder der Rabbinerin aufgespannt wird. Er besteht aus einem Stück Stoff, das an vier Stangen befestigt und über dem Paar gehalten oder aufgestellt wird. Eltern, Trauzeugen und andere Gäste stehen meist außerhalb der Chuppa. Die Chuppa wird oft als Symbol für das Haus des Bräutigams verstanden, in das die Braut nun einzieht, aber auch als die Kammer, in der die Ehe vollzogen wird. Dass der Hochzeitsbaldachin nach allen vier Seiten offen ist, wird oft so verstanden, dass das Haus des neuen Paares offen sein soll für Gäste, so wie einst das Zelt von Abraham und Sara offen für Gäste war. Dass sie unter freiem Himmel steht und die Trauung auch dort vollzogen wird, kann als Hinweis auf Gottes Segen verstanden werden, der die Nachkommen Abrahams so zahlreich machen wollte wie die Sterne am Himmel. Schon im Alten Testament, der hebräischen Bibel, wird von einer Chuppa gesprochen. Unklar ist jedoch, was der Begriff damals bezeichnete. Hochzeitsbaldachine, wie sie heute verwendet werden, sind erst ab dem 16. Jahrhundert bekannt.
Davidstern
Der Davidstern ist ein sechszackiger Stern, der aus zwei überlappenden gleichseitigen Dreiecken besteht, eines mit der Spitze nach oben, das andere mit der Spitze nach unten zeigend. Er wird als grundlegendes Symbol für das Judentum angesehen, obwohl er nicht dort entstanden ist. Erst im Mittelalter und vor allem ab dem 17. Jahrhundert wurde er als Symbol an Synagogen verwendet. Ab dem 19. Jahrhundert nutzte ihn die zionistische Bewegung als ihr Zeichen; er schien ihr geeignet, weil er kein mit der jüdischen Religion verbundenes Symbol war. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern zum „gelben Stern“ oder „Judenstern“ und diente dazu, Juden auszusondern. Hebräisch heißt der Davidstern Magen David, Schild Davids. Heute findet sich der Magen David auf der Flagge des Staates Israel und bei der israelischen Organisation, die ähnliche Aufgaben wie das „Rote Kreuz“ hat, der „Rote Schild Davids“ (Magen David Adom). Häufig wird er auch als Anhänger an Halsketten getragen.
Dendrochronologie
Mit der naturwissenschaftlichen Methode der Dendrochronologie kann man das Alter von Hölzern feststellen, die in Gebäude z.B. in [Synagogen][1] verbaut sind oder zur Herstellung von größeren hölzernen Gegenständen benutzt wurden. Mit dieser Methode kann man dann auf das Alter der Gebäude oder Gegenstände schließen. In der Dendrochronologie werden die Jahresringe des Holzes untersucht. Diese lassen sich aufgrund ihrer Breite einer bestimmten geografischen Region und einem bestimmten Zeitraum zuordnen. Nach dem letzten Jahresring lässt sich das Fälldatum des Baumes bestimmen, der dann zu einem Brett oder einem Balken verarbeitet wurde. Die Dendrochronologie kann, falls die Holzprobe bis zur Waldkante reicht, manchmal sogar die Jahreszeit der Fällung bestimmen. Wichtig für eine solche genaue Bestimmung ist aber eine ausreichende Wuchsdauer, damit ein charakteristisches Muster an Ringen zur Untersuchung vorliegt. Im Fall der Datierung der Alten Synagogen in Erfurt wurde zusätzlich noch die 14C-Analyse herangezogen, da das Holz stark verkohlt war und damit verzogen.
Der Hochzeitsring im Erfurter Schatz
Das wichtigste Objekt im Erfurter Schatz ist ohne Zweifel der jüdische Hochzeitsring. Der sperrige Ring, der nach mittelalterlicher jüdischer Tradition nur aus reinem Gold ohne Edelsteinbesatz besteht, wurde lediglich während der Hochzeitszeremonie getragen. Aus dem Jahr 1400 ist die Beschreibung einer aschkenasischen Vermählung überliefert, in der die feierliche Handlung wie folgt geschildert wird: „Nach dem Segen rief der Rabbiner zwei Zeugen. Er zeigte ihnen den Vermählungsring und ließ sie bestätigen, daß dieser mindestens den Wert eines Hellers habe. […] Dann forderte er sie auf, genau zuzusehen, wie der Bräutigam die Vermählung mit den Worten vollzog: ‚Durch diesen Ring seiest Du mir angetraut nach dem Gesetz Moses und Israels‘. Dieser steckte daraufhin der Braut den Ring an den Finger neben dem Daumen.“ Der breite Reif aus Erfurt ist an der Unterseite mit der Darstellung ineinander gelegter Hände geschmückt, einem alten Sinnbild für eheliche Treue. An den Seiten des Reifes tragen zwei geflügelte Drachen die fein gearbeitete gotische [Tempel][1]architektur. Auf den glatten Dachflächen steht in sechs gravierten hebräischen Buchstaben die Inschrift „masal tow“, was wörtlich übersetzt „Guter Stern“ heißt und im übertragenen Sinn „Viel Glück“ bedeutet. Jüdische Hochzeitsringe aus allen Jahrhunderten tragen Miniaturgebäude. Die Bedeutung dieser „Häuschenringe“ ist in der Forschung umstritten: Das Gebäude auf den Ringen könnte den Tempel Salomons, eine [Synagoge][2] oder das neu gegründete Haus der Vermählten darstellen. Die Identifizierung mit dem im Jahre 70 u.Z. zerstörten Tempel in [Jerusalem][3] ist allerdings am wahrscheinlichsten. Neben dem Erfurter Ring sind bisher in Mitteleuropa nur zwei weitere jüdische Hochzeitsringe aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bekannt geworden. Sie stammen aus den Schatzfunden von Colmar und Weißenfels, die bereits im 19. Jahrhundert entdeckt wurden.
Diaspora
Der Begriff Diaspora kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Zerstreuung“ oder „Verstreutheit“. Er wird benutzt, wenn es um Gemeinschaften religiöser, nationaler oder kultureller Art geht, die in der Fremde leben müssen und kann die Gemeinschaft selbst als auch ihr Siedlungsgebiet benennen.Im ursprünglichen Sinne bezeichnet Diaspora die Wohnorte der Juden im Babylonischen [Exil][1] nach dem Untergang des Reiches Juda und der Zerstörung des [Tempels][2] von [Jerusalem][3] im Jahr 587/586 v. u. Z. Damals wurden große Teile der Bevölkerung Israels nach Babylon verschleppt, wo diese sich ein neues Leben aufbauten. Immer mit Blick nach Israel und [Jerusalem][3], in die alte Heimat hinein, wagte das jüdische Volk dort aber einen Neuanfang. Einige kehrten nach Israel zurück und gründeten dort eine neue jüdische Gemeinschaft und einen neuen Tempel. Im Jahr 135 u. Z. wurden die Juden erneut aus Palästina vertrieben. Viele meinen, dass, wie in Jes 11,12 oder Jes 27,12-13 beschrieben, die Diaspora erst mit der Wiederkunft des Messias enden wird, der die Juden zurück in das Gelobte Land führt und die Zerstreuung beendet. Andere sind überzeugt, dass die Diaspora mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 beendet ist. Sicher ist jedoch, dass das Leben in der Diaspora, also außerhalb der angestammten Heimat und weit weg vom Zentrum des jüdischen Glaubens, dem Jerusalemer Tempel, für das Judentum identitätsstiftend war. Viele Wissenschaftler vertreten, dass erst die Diaspora dazu geführt hat, dass die hebräische Bibel niedergeschrieben wurde, um sie zu bewahren, dass Rituale wie die [Beschneidung][4] und die [koschere][5] Lebensweise entstanden, um sich von den Anderen abzugrenzen, dass sich bestimmte Vorstellungen wie die vom Gelobten Land erst dadurch ausbildeten, weil man eben gerade nicht dort leben konnte.
Dreidel
Der Dreidel ist ein kleiner bunter Drehkreisel mit vier Seiten, der sich auf einem kleinen Fuß bewegt. Beim Dreidelspiel gewinnen oder verlieren die Spieler ihre Einsätze, je nachdem, wie er fällt. Das Spiel ist legendarisch im Geschehen um das Lichterfest [Chanukka][1] verankert. Es heißt, dass es den Juden unter der griechischen Vorherrschaft in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende verboten war, in der [Tora][2] zu lesen oder sie zu studieren. Wenn die Machthaber den Tora lesenden Juden auf die Schliche kamen, versteckte man schnell das heilige Buch und holte stattdessen diesen besonderen Kreisel hervor, mit dem man zu spielen vorgab. Heute wird das Dreidelspiel vor allem zu Chanukka in Erinnerung an diese Geschehnisse gespielt. Auf dem Dreidel, der meist sehr farbenfroh gestaltet ist, stehen vier hebräische Schriftzeichen: Nun, Gimel, He und Schin. Sie stehen als Abkürzung für den Satz „Ein großes Wunder geschah dort.“ Kauft man jedoch einen Dreidel in Israel lauten die Buchstaben dort: Nun, Gimel, He und Pe, die in diesem Fall für den hebräischen Satz „Ein großes Wunder geschah hier“ stehen. Die Gewinne beim Dreidelspiel sind meist kleine Münzen, die heute oft wohltätigen Zwecken gespendet werden.
Spielanleitung: Du brauchst mindestens zwei Spieler. Jeder hat zehn Münzen zur Hand. Der Dreidel wird gedreht und danach im Uhrzeigersinn weitergegeben. Der Buchstabe, der oben liegt, zeigt an, was du tun musst.
· Nes/Wunder steht für „nichts“. Nichts passiert. Du gewinnst nichts und verlierst nichts.
· Gadol/groß steht für „ganz“. Du gewinnst alles. Nimm dir, was in der Mitte liegt.
· Haja/es geschah steht für „halb“. Nimm dir die Hälfte aus der Mitte, plus 1, wenn es eine ungerade Zahl ist.
· Scham/dort steht für „stell“ im Sinne von „lege hinein“. Gib 2 in die Mitte.
Dufte
Bevor „cool“ cool war und 2016 „fly sein“ zum Jugendwort des Jahres gekürt wurde, sagte man „dufte“. Dufte bedeutet gut, großartig, prächtig, schön, attraktiv. Ähnliche Bedeutungen haben die moderneren Begriffe „cool“ und „fly sein“,, die aus der englischen Sprache stammen. Stark verbreitet war und ist der Begriff im Berliner Raum und in Norddeutschland. Wahrscheinlich stammt er jedoch aus dem Jiddischen und leitet sich vom Hebräischen „tov“, zu Deutsch „gut“ ab. Im 19. Jahrhundert trat er im Berlinerischen auf und bald danach in ganz Deutschland. Jetzt eher ungebräuchlich unter jüngeren Menschen, nutzt es der Rapper „Summer Cem“ in seinem Lied „Nike Airs“ wieder und singt: „heut‘ bau ich ein Haus für sie, denn uns geht es dufte“.
Einen guten Rutsch
Seit ungefähr 150 Jahren wünscht man sich im deutschen Sprachgebiet zum Neuen Jahr einen „guten Rutsch“. „Gut Rosch“ - das sagt man manchmal auch unter den jiddisch sprechenden Juden zum jüdischen Neujahrsfest [Rosch HaSchana][1], das in unseren Breiten im Herbst stattfindet. Dabei bezieht sich „Rosch“ auf den Kopf, den Beginn des Jahres. „Rosch HaSchana“ heißt also „Kopf“, d.h. „Anfang des Jahres“. Wer nicht Jiddisch, sondern Hebräisch spricht, wünscht sich zum Neujahrsanfang „Shanah Tovah“: „Ein gutes (neues) Jahr!“. Es wird oft vermutet, dass der „gute Rutsch“ in der deutschen Sprache vielleicht tatsächlich aus dem Jiddischen kommt. Aber ist das so? Oder vielleicht anders herum: wünscht man sich im Jiddischen „Gut Rosch“ im Sinne von „Ich wünsche dir einen guten Rosch HaShana - Feiertag“? Oder kommt „Rutsch“ von „Reise“, sodass der Wunsch „Einen guten Rutsch“ eigentlich „eine gute Reise“ bedeutet?
Eruv
Der Begriff Eruv bezeichnet meist die sogenannte [Schabbat][1]grenze oder auch die reale oder symbolische Begrenzung, die ein jüdisches Wohngebiet umgibt. Innerhalb des Eruvs sind bestimmte Aktivitäten wie das Tragen von Lasten am Schabbat nach [orthodox][2]em Verständnis erlaubt, außerhalb dessen nicht. Ein Eruv ist deshalb nötig, weil die [Tora][3] nach traditionellem Verständnis bestimmte Arbeiten und Aktivitäten am Schabbat verbietet. Heute wird ein Eruv als Hilfe für Familien und behinderte oder ältere Personen verstanden, die orthodox sind, aber am Schabbat trotzdem Kinderwagen und Rollatoren schieben, Rucksäcke und Taschen tragen wollen oder müssen. Im Mittelalter wurden jüdische Viertel oft durch eine Mauer von anderen abgetrennt. Eine Tür, die den Zugang ermöglichte, wurde am Schabbat geschlossen. Heute wird der Eruv um orthodoxe Wohngebiete oft mit einem Draht oder Seil hergestellt, gespannt auf Telefonmasten o.ä., auch natürliche Begrenzungen wie ein Fluss können dazugehören. Eruvim (Plural von Eruv) existieren vielerorts in Israel und auch in vielen nordamerikanischen Städten. Bis zur [Schoa][4] gab es solche Eruvim auch in Deutschland, so u.a. in Altona. In Wien wurde 2012 die Innenstadt innerhalb des Gürtels zum Eruv erklärt.
Exegese
Exegese bedeutet „Auslegung“ und bezeichnet das ernsthafte Bemühen, heilige Texte wie die Bibel oder die [Tora][1] zu verstehen. Die Auslegung versucht, sowohl die ursprüngliche Intention der Verfasser offen zu legen wie auch den Text in den eigenen Kontext zu übersetzen. Da Auslegung immer Interpretation ist und auf dem individuellen Verständnis und dem geschichtlichen und religiösen Umfeld des Auslegers oder der Auslegerin beruht, muss man verschiedene Arten von Exegese unterscheiden. Einige von ihnen sind hier beschrieben:
Diee jüdische Bibelauslegung oder Exegese begann wahrscheinlich schon, bevor festgelegt wurde, welche Schriften denn im Bibelkanon enthalten sind. Davon zeugt die Unterscheidung zwischen schriftlicher und mündlicher Tora. Innerhalb der Hebräischen Bibel begegnet jüdische Exegese immer dann, wenn Geschichten fortgeschrieben oder redaktionell verändert wurden. Einige Spuren davon kann man noch im Text erkennen. Rabbinische Bibelinterpretation, solche Werke wie [Mischna][2], [Talmud][3] und [Targum][4], gehören zur jüdischen Exegese hinzu, und auch heute noch wird weiter ausgelegt und interpretiert, teilweise auch mit den Methoden der historisch-kritischen Exegese oder in Auseinandersetzung mit ihr.
Die christliche Exegese bemüht sich um eine Bibelauslegung im Licht von Jesus Christus und mit dem Ziel, die Entstehung und Geschichte von Kirche zu verstehen und weiter zu schreiben. Mit verschiedenen Methoden nimmt sie den Text in den Blick, die Sache, die im Text behandelt wird, oder auch die Leserschaft, die den Text nutzt.
Die historisch-kritische Exegese ist eine wissenschaftliche Methode, die philologische und historische Fragen stellt und sie auf die Bibel bezieht. Sie will herausfinden, welchen Sinn ein biblischer Text zur Zeit seiner Entstehung hatte und wie sich dieser Sinn über die Zeiten gewandelt hat. Religiöse Überzeugungen sollen dabei keine Rolle spielen.
Die befreiungstheologische Exegese entstand in den 1960er Jahren und ist eine lateinamerikanische Bewegung, die versucht, die sozio-politische Ungleichheiten innerhalb der lateinamerikanischen Bevölkerung in den Blick zu nehmen. Sie sieht Jesus Christus vor allem als den Befreier von Unterdrückung an und verlagert die Exegese von den Wissenschaftlern zu den sogenannten Basisgemeinden, die Bibellektüre „von unten“ betreiben. Aus ihr heraus entwickelte sich auch die schwarze Bibelauslegung, bei der die Unterdrückung der Schwarzen in den USA in den Blick genommen wird.
Die feministische Exegese ist eine Auslegungsrichtung der Bibel, die unter christlichen und jüdischen Auslegerinnen genutzt wird und die die Lebenssituationen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe in den Blick nimmt. Sie entdeckt biblische Geschichten von Frauen wieder, berücksichtigt die patriarchalen Entstehungsbedingungen der heiligen Texte und die Vertextlichung der Offenbarung Gottes durch Männer, deckt Spuren von Göttinnenanbetung im Alten Testament auf oder hebt weibliche Aspekte Gottes und der Religion hervor. Feministische Exegese ist von methodischer Vielfalt und einer Vielfalt an Zielen geprägt.
Exil
Der Begriff Exil stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet die Verbannung oder das ungewollt in der Fremde leben müssen einer Person oder einer Gruppe. Oft beinhaltet es Einschränkungen in der neuen Heimat, Ausgrenzung, gar Verfolgung. Als Babylonisches Exil wird eine Epoche in der jüdischen Geschichte bezeichnet, die mit der Eroberung [Jerusalems][1] im Jahr 587 v.u.Z. durch den babylonischen König Nebuchadnezzar II. beginnt und bis zur Eroberung Babylons 539 durch den Perserkönig Kyros II. reicht. In dieser Zeit waren große Teile der Bevölkerung Judas nach Babylon verschleppt worden. Sie lebten dort in der [Diaspora][2], bildeten aber auch eine jüdische Identität heraus und richteten ihren Blick und ihre Sehnsucht weiterhin nach Jerusalem und dem Gelobten Land. In der hebräischen Bibel, dem Alten Testament, wird das Exil oft als Strafe Gottes interpretiert. Ps 137 versteht es als Zeit der Sklaverei: die jüdische Bevölkerung saß weinend an den Flüssen Babels und dachte an den Tempel, heißt es dort. Babylonische Quellen jedoch zeichnen ein anderes Bild und sprechen von florierendem Handel, Landwirtschaft und Bauwesen unter den Juden. Offenbar assimilierten sich die aus Palästina stammenden Bevölkerungsgruppen schnell in den babylonischen Kolonien und konnten dort ihre Traditionen bewahren und sogar ausbauen. Vielleicht entstanden in dieser Zeit sogar die ersten [Synagogen][3] sowie neue Bräuche und Rituale wie die [Beschneidung][4] oder die [koschere][5] Lebensweise, mit denen man sich von den Anderen abgrenzen wollte. Als das babylonische Reich 539 v.u.Z. unterging, kehrten nur Teile der Bevölkerung nach Palästina zurück und begannen 517 v. u. Z. mit der Neuerrichtung des Jerusalemer [Tempels][6]. Andere blieben in Babylon und stärkten dort ihre Gemeinschaft zu einem geistigen Zentrum, in dem in der Mitte des ersten Jahrtausends u. Z. der Babylonische [Talmud][7] entstand.
Frauenempore
In traditionellen und [orthodox][1]en jüdischen Gemeinden wurden und werden noch heute Frauen und Männer während der Liturgie in der [Synagoge][2] getrennt. Manchmal wird das durch einen Vorhang erreicht, manchmal durch die räumliche Trennung beim Sitzen oder Stehen, manchmal auch durch eine bauliche Variante in den Synagogen, den Frauenemporen. Schon in manchen sehr alten Synagogen vor dem Mittelalter sind solche Emporen nachzuweisen, im 19. Jahrhundert wurden sie wieder verstärkt in repräsentative Sakralbauten wie in der Neuen Synagoge Berlin (erbaut 1866) oder in die Synagoge Neudeggergasse in Wien (erbaut 1903) eingezogen. [Ultraorthodoxe][3] jüdische Gruppen setzen sich auch für eine Geschlechtertrennung in öffentlichen Räumen ein.